top of page

Ganz Ohr von Richard Weihs

Aktualisiert: 19. Nov. 2022

Vortrag von Orlando Orsini-Ohrenberg, ordentlicher Ordinarius für Ohrologie an der Universität von Oronto, gehalten anlässlich der Eröffnung des Ersten Internationalen Ohrologen-Kongresses



Sehr geohrte Ohrontologen und Ohrnitologen, werte Ohrtographen und Ohrtopäden!


Mein heutiger Vortrag gilt klarerweise jenem vortrefflichen Organ, dass seit jeher im Vordergrund unserer Forschungen steht: Dem Ohr! So Sie mir nun das selbige leihen, will ich Ihnen einige jener ganz vortrefflichen Vorzüge zu Gehör bringen, welche dieses einzigartige Organ in sich birgt. Spitzen Sie also die Ihren und seien Sie ganz Ohr!

Wie Ihnen natürlich allen bekannt ist, beschäftigt sich die orthodoxe Ohrologie vor allem mit dem Gehörsinn. Nun, dieser steht ja auch zweifellos im Mittelpunkt des Mittelohres – dies zeigt sich schon bei der Musik: Nicht umsonst trägt die Königin der Instrumente den schönen Namen „Ohrgel“! Ein großes Musikensemble nennt man „Ohrchester“, man spricht von „Chohr“ und „Ohratorium“. Ja, und was ist denn die Hauptwaffe gegen die ohrganisierte Kriminalität? – Jawohl: Der große Lauschangriff!


Durch diese einseitige Konzentration auf den Gehörsinn sind aber andere sinnliche Qualitäten des Ohres sträflich vernachlässigt worden. Beispielsweise der ohrale Geschmacksinn: Der Franzose spricht ja von „Hors d'œuvre“, zu Deutsch „Ohrspeise“, auch bekannt als „Ohrenschmaus“.


Oder denken wir nur an die Bedeutung des Ohres für die Sexualität: Sicher nicht zufällig trägt der Höhepunkt des Sexualaktes den schönen Namen „Ohrgasmus“! Bitte, schwer verliebt ist man ja auch bis über beide Ohren! Und bei sexuellen Ausschweifungen spricht man von einer „Ohrgie“ – und zwar wohl deswegen, weil man dabei ständig auf ein offenes Ohr stößt…

Überhaupt war das Ohr in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit von enohrmer Bedeutung: Schließlich ist ja einer unserer nächsten Artverwandten der „Ohran-Gutan“. Und ganz ohne Zweifel steht ihm das Ohr an gut an – jedenfalls besser als das Ohr ab. Und stets war das Ohr auch Motor der kulturellen Entwicklung: Sei es durch die geheimen Einflüsterungen des griechischen Ohrakels, durch die zauberhaften Gesänge des Ohrpheus oder aber auch durch die berückende Ohriginalität ohrientalischer Ohrnamente!


Noch immer aber gibt es zahlreiche offene Fragen in Bezug auf die ohrtümliche Ohrogenese, wie zum Beispiel: Handelt es sich beim Mann im Ohr um einen Ohrmannen? Oder: Kann eine Zyste im Ohr von einem Exohrzysten entfernt werden? Und vor allem: Auf welche geheimnisvolle Weise bilden sich Perlen am weiblichen Ohrläppchen? Wachsen diese etwa gar in der Ohrmuschel?


Diese und viele andere bohrende Fragen gilt es zu beantworten, um dem Ohr endlich den ihm gebührenden Platz an der Spitze aller Sinnesorgane einzuräumen. Lassen wir uns nicht länger von ordinären Nasenbohrern und horriblen Augenauswischern übers Ohr hauen! Das Ohr geht vor!!!


So wollen wir nun weiterarbeiten zum höheren Lob des Ohres – „Ohra et labora!“, wie der Lateiner zu sagen pflegt. Ihnen allen aber rufe ich zum Abschluss den friedliebenden Gruß der Ohrologen zu: Friede Euren Ohren! – Ohropax vobiscum!

 

Richard Weihs ist Autor, Musiker, Kabarettist und Lebenskünstler. Mehr über ihn


25 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Ein Corona-Märchen

bottom of page